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Diese "Geschichten aus der Praxis" entstanden für ein mittelständisches Software und Logistikunternehmen in Berlin.

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Heinz und das Gerät


Nächste Woche ist Echtstart in einem 600 Betten Krankenhaus im Norden Deutschlands. LOGBUCH, ein Komplettsystem für Krankenhauslogistik, soll neu eingeführt werden. Ein Modul regelt den Patiententransport im Haus.
Der Leiter des Patiententransportes hat keine Bedenken. „Alles wird glatt gehen. Die neue Logistiklösung ist klasse. Nur mit Heinz klappt es bestimmt nicht.“ Sagt er zum Berater von DYNAMED dem Softwarehersteller. Heinz ist 63 und hat weder ein Handy noch einen Computer. Technik ist nicht sein Ding.
Heute ist Schulung. Fünfzehn Patiententransporteure drehen und wenden die nagelneuen Handys, die sie ab jetzt durch den Klinikalltag begleiten werden. Schnell haben alle das einfache System mit dem Fünfpunktverfahren durchschaut. Alle, nur Heinz nicht. Heinz holt seinen Bleistift aus der rechten und seinen Abreißblock aus der linken Brusttasche seines dunkelblauen Kittels. „Das ist seit 30 Jahren mein Computer.“ sagt er und schiebt das Smartphone zur Seite. „Das lerne ich nie!“ Er verschränkt demonstrativ die kräftigen Arme vor der Brust und lehnt sich zurück.
Nach der Einweisung nimmt der Berater von DYNAMED Heinz zur Seite. „Gib mir doch wenigstens eine Chance“ sagt er zu Heinz. „Wir machen das zusammen“.
Gesagt getan. Am nächsten Morgen zu Schichtbeginn trägt der Berater Funktionskleidung und Heinz das Gerät, wie er es nennt, in der Hand. „Pling“, der erste Auftrag ist da. Auf dem Display erscheint der Abholort, der Name des Patienten und wohin die Reise gehen soll. Heinz schreibt vorsichtshalber alle Daten auch in seinen Block. Bestätigen mit einem Klick und los geht die Reise des ungleichen Teams durchs Krankenhaus. Am Abholort soll Heinz wieder bestätigen. „Ich bin da“ bedeutet das. Der zweite Klick heute schon. Der Patient sitzt fröhlich in seinem Bett und soll zum Röntgen gefahren werden. Jetzt geht es mit dem dritten Klick (ich fahre ab) in Richtung Radiologie. Gekonnt dirigiert Heinz das große Bett durch die Flure und in den Aufzug. Zwei Stockwerke tiefer und sie stehen vor der Radiologie. Keine anderen Patienten warten und Heinz macht einen Witz mit der Assistentin der Radiologie. „Ich kann jetzt Computer“ lacht er und wendet sich zum Gehen. "Klick vergessen", sagt der Berater und schnell sind die zwei Klicks (bin da und bin wieder frei) erledigt.
Drei Transporte später. Der DYNAMED Berater braucht eine kurze Pause und Heinz soll einen Transport allein versuchen. Eine Viertelstunde später wird der Berater schon etwas nervös. Wo bleibt Heinz? Als er nach einer halben Stunde immer noch nicht auftaucht, macht er sich auf die Suche. Gleich um die Ecke liefert Heinz fröhlich einen Patienten ab und auch die zwei Schlussklicks vergisst er nicht. „Ich habe gleich noch drei Aufträge abgearbeitet … kamen aufs Gerät“ meint Heinz.
Später in der Kantine ist Heinz stolz darauf, jetzt auch Teil der modernen Patientenlogistik zu sein. „War ja ganz einfach, das Gerät“ und jetzt findet er es auch sehr praktisch. Kein Telefon mehr zwischen Ohr und Schulter geklemmt, um die Hände für Block und Bleistift frei zu haben. Keine Missverständnisse mehr bei Abteilung C oder D, die sich so ähnlich anhören. Und kein Problem mehr beim Buchstabieren von komplizierten Patientennamen. „Außerdem merken die jetzt, dass es nicht immer an mir liegt, wenn ich zu spät komme.“ Sagt Heinz und klopft auf das Gerät. „Das weiß, dass ich pünktlich war.“
Vier Wochen später ist DYNAMED wieder im Haus. Heinz und der Berater trinken einen Kaffee am Automaten. „Gib mir dein Gerät zurück!“ sagt der Berater, „das Projekt wird eingestellt.“ Heinz macht große Augen und merkt dann aber schnell, dass er auf die Schippe genommen wurde. „Das wäre ja verrückt, das Ding gibt mir nur noch Aufträge um die Ecke und ich laufe mir nicht mehr die Hacken ab“ lacht er und macht sich mit einem routinierten Klick auf den Weg zum nächsten Auftrag.
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Im Auge des Hurrikans

Haus 9, Ebene -1. Entsprechend dunkel ist es in dem Zimmer am Ende des Flurs. Das spricht für einen ruhigen Ort der Besinnung. Weit gefehlt. Wir sind in der Leitstelle Patiententransport eines Krankenhauses im Norden Deutschlands. 1.100 Betten, 2.200 Mitarbeiter und ca. 900 Patiententransporte. Pro Tag! Zwei pro Minute!
Mehrere Telefone klingeln gleichzeitig, Pager piepen, Bildschirme flimmern und alle paar Minuten schiebt einer der fünfzehn Transporteure den Kopf durch die Tür. „Gibt’s was?“ und schwupp, ist der Kopf wieder verschwunden. Aus der Ecke dudelt noch leise Musik aus einem Radio.

Haben wir immer so gemacht
Ruhig wird es erst, wenn der Blick auf Trudi fällt. Trudi heißt eigentlich Gertrud Fant und ist die Disponentin für Patiententransporte. Völlig entspannt sitzt sie am Schreibtisch inmitten des Raumes unter einer orangen 70er Jahre Lampe. Sie bedient abwechselnd zwei Telefone, hat den Zeigefinger der linken Hand suchend auf dem Bildschirm und dirigiert mit ihrem Blick die Köpfe im Türspalt. Blick links heißt: „Im Moment gibt’s nix.“ Blick rechts bedeutet: „Wart mal ich hab was für dich.“ Wieder geht die Tür auf und Karl, einer der ältesten Mitarbeiter schiebt vorsichtig den Kopf herein. Falscher Zeitpunkt für ihn. Gertrud schaut rechts und fragt: „Wie lange soll Frau Yilmaz noch vor der Radiologie warten? Sie ist seit einer Dreiviertelstunde fertig.“ Die Schultern in der Tür zucken und weg ist Karl. Jetzt muss er ins Nachbargebäude auf Ebene 12. Als er oben den Aufzug verlässt, trifft er seinen Kollegen Christian. Christian schiebt fröhlich Frau Yilmaz in Richtung Aufzug. Wieder ein Weg umsonst, denkt Karl, dreht um und geht erst einmal eine Zigarette rauchen.

Der Aufstieg
Seit diesem Jahr ist alles anders. Das Büro von Frau Fant ist jetzt zwei Stockwerke höher gezogen und hat ein großes Fenster. Das Telefon klingelt nur noch selten und die neuen Bildschirme sind jetzt größer, augenschonender und ohne Fingerspuren. Die Transportaufträge kommen nicht mehr über das Telefon und werden auch nicht mehr auf dem Abreißblock dokumentiert. LOGBUCH, eine Krankenhauslogistik-Software der Firma Dynamed wurde eingeführt. Jetzt laufen auch die Materialbestellungen, der Citotransport und das Bettenmanagement über ihren Schreibtisch. Frau Fant hat jetzt den Überblick über alle ihre Schäfchen und das System vermeidet Verspätungen und doppelte Wege. Jeder Transporteur bekommt seine Aufträge auf ein mobiles Gerät und der Transportbeginn ist möglichst nah an seinem Standort. So wird jetzt auf dem Hinweg Frau Schneider zum Röntgen gebracht und die fertigen Aufnahmen von Herrn Scholz vom Transporteur gleich mitgenommen. Die werden direkt zur richtigen Station gebracht. Und das bei einer nie gekannten Pünktlichkeit.

Ein Traum ist wahr geworden
„Jetzt läuft es so, wie ich mir es erträumt habe“ sagt Frau Fant und freut sich nun, wenn doch noch ab und zu ein Mitarbeiter den Kopf durch die Tür steckt. Ihre Blickkommandos haben sie allerdings schon verlernt. Die Aufträge kommen ja über das Smartphone. Kommunikation mit den Mitarbeitern in Echtzeit. Und noch eine gute Nachricht. Karl raucht nicht mehr.
 
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Zwei Möglichkeiten sind eine zu viel

 
Erik Matthes ist Krankenhauslogistiker und keiner kennt ihn. Nicht einmal in seinem Krankenhaus. Logistiker sind unsichtbar und sitzen den ganzen Tag vor dem Rechner, studieren Tabellen und Statistiken. Langweilig, nicht einmal Witze über Logistiker gibt es. Selbst Google kennt nur einen Witz und der ist nicht gut. Nur wenn ein Prozess schief läuft, wird Herr Matthes von der Geschäftsführung besucht. Gelobt wird er nie.
 
Erik und seine Vision
 
Doch Erik hat eine Vision. Keine von diesen mit denen man, laut Helmut Schmidt, zum Arzt gehen sollte. Nein, Erik ist ja schon im Krankenhaus und hat der Zettelwirtschaft den Kampf angesagt. Kopfschüttelnd steht er vor einer großen, nicht mehr so weißen Magnettafel. Die Disponenten haben die anfallenden Reparaturaufträge des Krankenhauses angepinnt. Die Tafel ist senkrecht in drei Spalten aufgeteilt. Strom, Wasser, Sonstiges steht mit Permanentmarker über den Rubriken und darunter hängt eine Vielzahl bunter Zettel. "Wasserhahn tropft, Zimmer 232", ist da zu lesen und in rot, "Steckdose offen, 4. Stock Flur, DRINGEND!"
 
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten
 
Das Reparaturteam sucht sich einen Zettel, nimmt ihn ab und erledigt den Auftrag. Kurt, der Elektriker, nimmt manchmal auch zwei oder drei gleichzeitig, wenn es passt. Der Feierabend ist dann aber doch schneller da als gedacht. Der nicht erledigte Zettel verbringt dann das Wochenende in Kurts Brusttasche. Ab jetzt gibt es mindestens zwei Möglichkeiten. Der Zettel wird vergessen, Kurts Mutter wäscht ihn mit oder Kurt erinnert sich am Montag an den Auftrag und führt ihn aus.
 
Nichts hasst ein Krankenhauslogistiker mehr. Zwei Möglichkeiten sind der Horror für ihn.
 
Die Lösung ist die Verwaltung der Reparaturen mit der Software LOGBUCH. Die Berliner Entwickler von Dynamed haben 20 Jahre Erfahrung mit Logistikprozessen im Krankenhaus und natürlich einen Plan. Ein Plan, der nur eine Möglichkeit offenlässt: Der Auftrag wird zeitnah ausgeführt. Und er wird weder gewaschen, noch vergessen. Alle Techniker haben jetzt ein persönliches Smartphone und bekommen dort Auftrag für Auftrag zugeteilt. Und erst wenn der Job erledigt ist, wird er als solcher markiert. Jetzt sollte nichts mehr schiefgehen.
 
Macht der Gewohnheit
 
Doch Erik hat nicht mit der Macht der Gewohnheit gerechnet. Auch wenn das Wort Logistik aus dem Griechischen kommt und Rechenkunst bedeutet. Bei den ersten Auswertungen wundert sich Erik, dass die Aufträge seit der LOGBUCH Einführung so eklatant zurückgegangen sind. Dann wird Erik zum Detektiv. Schnell ist klar, wo die vielen fehlenden Reparaturen geblieben sind. Denn weiterhin werden Zettel, mehr oder weniger heimlich, über den Tisch geschoben und defekte Wasserhähne beim Mittagessen in der Kantine gemeldet. "Das geht doch schneller und ist nicht so bürokratisch", bekommt Erik auf Nachfrage oft zu hören. Logistik im Krankenhaus ist wie die Schwiegermutter im Gästezimmer.
 
Erik auf Tour
 
Jetzt ist Erik als Überzeugungstäter gefordert. Er spricht mit den Technikern und nimmt an vielen Teamsitzungen teil. Er bringt lachend unzählige Male das Beispiel mit Kurts Mutter und dem Zettel in der Waschmaschine und lobt die neue, intelligente Tourenplanung bei den Reparatureinsätzen. Wie oft kommt es vor, dass in dem Bett, welches eine neue Rolle braucht, noch ein Patient liegt? Dann muss der Monteur unverrichteter Dinge wieder abziehen. Warum tropft der Wasserhahn in Zimmer 232 plötzlich nicht mehr, wenn der Klempner mit seiner Werkzeugtasche vor ihm steht? Weshalb kommt es immer wieder zu doppelt disponierten und vergessenen Aufträgen? Wie oft muss die Stationsschwester genervt an das defekte Türschloss erinnern?
 
Jetzt ist Erik oft auf den Krankenhausfluren zu sehen. Er begleitet den Elektriker Kurt auf seiner Tour und spricht oft mit Pflegekräften. Er sitzt mit in der Auftragsannahme, wenn ein verkalkter Duschkopf gemeldet wird und beschlagnahmt schmunzelnd kleine, gelbe Erinnerungsnotizen. Ein Rundschreiben und viel Überzeugungsarbeit später läuft es wie geschmiert und Erik ist sehr zufrieden. Nicht nur die Aufträge werden gerechter verteilt und schneller erledigt, nein, plötzlich ist Erik im Krankenhaus auch beliebt und bekannt wie ein bunter Hund. Fehlen nur noch das Lob der Geschäftsführung und ein guter Logistikerwitz.
 
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