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Eine Reportage über die Bergung einer Focke Wulf 200 "Condor" aus einem Fijord bei Hommelvik / Norwegen
Die Fotos finden Sie hier




 Die letzte „Condor“

Hommelvik, Norwegen im Februar 1942. Schwere Bombenangriffe britischer Lancaster. Alarmstart für Leutnant Hans Tiedje und seine fünfköpfige Besatzung vom deutschen Luftwaffenstützpunkt Hommelvik. Schwer hebt die viermotorige Focke Wulf 200 „Condor“ vom Flugfeld ab und nimmt Kurs auf die rettende offene See. Auf der Flucht streicht sie in nur einhundert Metern Höhe über den Fjord bei Trontheim. Was dann geschieht, ist bis heute nicht geklärt. Im Luftwaffenbericht wird nur erwähnt: „Aus technischen Gründen Notwasserung, keine Toten, Totalverlust.“

Fünfundfünfzig Jahre später erinnert man sich wieder. Fischer bergen Flugzeugteile aus ihren Netzen und die Sensation ist perfekt. Die letzte noch erreichbare „Geisel des Atlantiks“, so nannte Curchill den deutschen Langstreckenbomber, liegt beinahe unversehrt in etwa 60 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund.

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin hat sofort Interesse. Lottogelder werden beschafft, Spezialisten gesucht, gefunden und beauftragt. Der norwegische Bergungsfachmann und Abenteurer Dag Amerud macht sich an die Arbeit. Mit einem Fischtrawler, drei Mann Besatzung und viel Optimismus kreist er wochenlang über der Absturzstelle. Hebewerkzeug wird nach Maß angefertigt und als alles für die Bergung bereit steht, kommen auch die Museumsleute. Mit nagelneuem, knallgelbem Ölzeug ausgerüstet warten die Hobbyberger auf den großen Moment. Sie sollen, sofort nach der Hebung, wenn das Flugzeug auf dem extra gecharterten Ponton liegt mit der Reinigung und Konservierung beginnen und herabfallende Teile bergen.

Doch es ist noch lange nicht so weit. Immer neue Probleme verzögern den Einsatz der Gelben. Als die Ungeduld immer grösser wird und schon die Abreise droht, entscheidet Dag: Heute ist es soweit. Mit Schrittgeschwindigkeit wird das Wunderflugzeug Richtung Ufer geschleppt. Unter Wasser. Seit fast sechzig Jahren hat es kein Mensch mehr gesehen. Endlich, im Hafen taucht es auf. Nach der ersten Enttäuschung, der Zustand lässt kaum ein Flugzeug erkennen und die Pilotenkanzel ist auch abgebrochen, macht sich ein „wir kriegen das wieder hin“ breit.

Doch jetzt wird es eigentlich erst richtig spannend. Der 80 Tonnen Hafenkran holt Zentimeter für Zentimeter das Wrack aus dem Salzwasser. Unendlich langsam hebt er die 14 Tonnen Aluminium auf den Ponton. Wie eine Gekreuzigte steht sie dann für Stunden auf ihrem nach unten weggeknicktem Heck. Das Problem, wie man ein für seine Zerbrechlichkeit bekanntes Wunderflugzeug in die Horizontale bringt, erledigt sich von selbst. Von einem fast menschlichen Stöhnen angekündigt, bricht es, wie in Zeitlupe, in sich zusammen. Was bleibt ist ein grosser Haufen Aluschrott und ein tief enttäuschtes Museumsteam. Das Schicksal der Maschine erfüllt sich abermals: Aus technischen Gründe, keine Toten, Totalverlust.

Nur Dag Amerud kann beruhigt sein. Dass das Flugzeug auf dem Ponton liegen sollte, ist im Bergungsvertrag festgehalten, nicht in welchem Zustand, die Lottomittel sind ihm sicher.


c Stefan Doblinger



 
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