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Eine Reportage über den Bau der längsten Brücke der Welt in Bangkok
Die Fotos finden Sie hier



Die längste Brücke der Welt

"Mehr Glück als Verstand" 


30 Sekunden, 3 Motorräder und ein cremefarbene Mercedes E Klasse Kombi, dann war "The Princess" vorbei. Drei Tage in Doppelschicht, Tag und Nacht hat Supervisor Franz Josef Rangigei seine "Reisbauern" angetrieben. Keiner darf über ihr stehen, auch nicht in 30 Meter Höhe auf der längsten Brücke der Welt. Just in Time ist das Zauberwort und Rangigei hat es wieder geschafft die Straße freizubekommen. Wieder trotz der "ganzen Vollidioten" die in seinem Abschnitt arbeiten, von denen er schon mehr als 200 rausschmeißen musste. Gegen den Willen der Chinesenmafia, die die Arbeitskräfte nach Bestechungsgeld und nicht nach Qualifikation rekrutiert. Rangigeis Personalpolitik stört da nur. Gegen die wiederholten Todesdrohungen beruhigt er sich mit einem Messer unter dem Kopfkissen. Wenn er mit seiner blonden Frau im klimatisierten Baucontainer Tee trinkt, glaubt er selber immer noch nicht, dass es jetzt endlich "flutscht". In den ersten Monaten waren 20 Stunden am Tag normal, Schlaf auf zwei aneinandergeschobene Stühlen und immer nahe am Nervenzusammenbruch. Rangigei ist Bauspengler und damit auch nicht gerade überqualifiziert. Aber er hat das Kommando über ca. 45 Thais die mit modernster Technik arbeiten und vorher "im ganzen Leben noch keine Schraube gesehen hatten." "Am schlimmsten ist, wenn sie eigene Ideen haben" lacht Franz Josef, dann wird es lebensgefährlich." Sein Vormann betritt nach Anklopfen lächelnd sein Büro und meldet Vollzug. Drei Brocken Englisch hin, drei zurück. Eine kleine Verbeugung und wieder raus in den strömenden Regen. "Der ist der größte Depp von allen" feixt Rangigei, aber er wird von den Anderen respektiert. Er sorgt dafür, dass alle zur Arbeit kommen, nüchtern. Und er schmeißt jetzt die Leute raus und hat jetzt mein Messerproblem. Man muss nur immer freundlich bleiben, nie brüllen und kein Anschiss vor versammelter Mannschaft. Gesichter wahren, das A und O in Thailand. Seit drei Jahren ist Franz Josef Supervisor, Diensttoyota, Dienstapartment, gutes Geld, und jetzt wo endlich alles läuft bald arbeitslos. Noch drei Wochen steht er unter Vertrag, die Kündigung liegt schon auf dem Tisch, dann kam die Verlängerung in Form eines 100 Tonnen schweren Fertigbauteils. Es riss zwei Umlenkrollen aus dem Transportkran und krachte auf die neue Straße. Das Teil zerstört und mit ihm 80 Meter Expressway. "Millionenschaden und Zeitverlust" meint Oberbauleiter Eckehart Stosch. "Aber zum Glück stand keiner drunter..." "Peinlich ist es schon so kurz vor Fertigstellung." Wieder ein Gesicht verloren. Yardleiter Lechtimäki ist nicht so traurig über den Unfall. Er, Herr über das größte Betonfertigwerk der Welt, kann den schon eingestellten Betrieb wieder aufnehmen und die zertrümmerten Teile neu gießen. Vertragsverlängerung und mindestens ein Monat länger Golf spielen. "In Thailand spielen wir 19 statt 18 Loch Plätze" schmunzelt er, "denn die Caddys sind alle weiblich!"An der Unfallstelle ist Schadensbegrenzung angesagt. Aufgeregte Diskussionen um die Einschlagstelle, Handys klingeln, was tun. Erst muss der abgestürzte Spam beseitigt werden. Natürlich kennt der zweite Mann hinter Stosch, Khun eine geeignete Firma. Natürlich ein thailändischer Subunternehmer. Die zerlegen Ruckzuck die Betonruine. Presslufthämmer und Schneidbrenner müssten aber von dem Joint Venture aus Bilfinger und Berger und der thailändischen Partnerfirma Cha Kanchang gestellt werden. Auch Arbeiter hat der Subber nicht genug und die drei, die kommen sind auch noch Illegale. "Aber ranklotzen können die" schwärmt Stosch, "so etwas habe ich noch nirgendwo auf der Welt gesehen." Und tatsächlich ist das 27 Meter lange, 5 Meter hohe und 2 Meter breite Fertigteil nach 36 Stunden in zehn Teile zerspalten. Ohne Pause, Tag und Nacht, ohne Helm, mit Badelatschen haben sie es geschafft. Jetzt sitzen sie im Schatten des Baucontainers und schlürfen aus kleinen Plastiktüten eine glasige Suppe. Der Subunternehmer kassiert und bei Stosch ist das Gesicht nun wieder am richtigen Fleck und der Schaden weniger Schlimm. Wir halten den Eröffnungstermin. Der steht allerdings noch nicht so genau fest. Jemand aus der Königsfamilie muss Zeit haben, das günstigste Datum muss von einem 87 jährigen Mönch festgelegt werden und es darf nichts mehr passieren. "Shit happens" sagt dazu Johann Alberts. Transportleiter, Organisator und am wichtigsten, Johann spricht fliessend Thai. Seit 29 Jahren in Thailand, weiss er was zu tun oder zu lassen ist. Er kennt die wichtigen Leute, weiß Gesichter zu wahren und Gefälligkeiten zu verteilen. Er regelt Verkehrsprobleme, wenn die Polizei auf Nachttransporten der Fertigteile besteht, verhandelt er, mit wem weiß nur er, und alles löst sich in einem Lächeln und ein paar Flaschen Black Label Whisky auf. Johann wohnt nicht in den Ausländergettos, die überall luxuriös und abgeschirmt aus dem Boden wachsen. "Zu teuer, und zu langweilig" für den 57jährigen. Er lebt zusammen mit einer 22 Jahre alten Thailänderin (geheiratet wird aber nicht...) mitten unter der einheimischen Bevölkerung. Er hat auch nur einen Regionalvertrag, verdient nur einen Bruchteil seiner deutschen Kollegen und das auch noch in thailändischen Baht. "Eines Tages schreibe ich ein Buch" sagt er zwischen zwei Telefonaten, Kurzgeschichten aus Thailand. Wie er mit König Bhumipol Würstchen mit den Fingern aß oder als er ein Klassentreffen aus dem Niedersächsischen nach Bangkok verlegte. Er humpelt zum allgegenwärtigen lindgrünen Mitsubishikühlschrank, greift sich ein kaltes Singha Bier und lässt sich wieder auf seinen Stuhl fallen. "Das mit meinem steifen Bein, war Blödheit. Zu hoch von der Leiter runtergesprungen, Bein gebrochen und im Krankenhaus versaut worden." Shit happens und in der Bilfinger Statistik ein weiterer "Minor accident" wie kleine Schäden genannt werden. Halb so schlimm, Hauptsache der allwöchentliche Herrentag in der "Nana", dem grössten Puff in Bangkok, fällt nicht aus. Nur Appetit holen, gegessen wird zu Hause meint er verschmitzt und ich war ja auch nach drei Tagen wieder auf der Baustelle. Mit Krücken und Fahrer aber das ging schon. Sprechen und Organisieren konnte er ja.Einen Steinwurf von seinem Büro entfernt sind die Arbeiterunterkünfte. Abends, fahl beleuchtet wird Mekong getrunken. Die Flasche kreist, durch den beißenden Qualm des gegen Moskitos verbrannten Plastikmüll. Männer spielen Dame mit Kronkorken auf abgewetzten Brettern, vereinzelt sieht man Frauen und Kinder. Die Siedlung besteht aus einstöckigen, langezogenen Häusern aus rohem Beton. Einzelne Zimmer, 12qm, vier Personen. Fischernetze werden geflickt, ab und zu läuft ein Fernseher. Auf ausgerollten Bastmatten wird geschlafen. Die meisten Arbeiter kommen aus dem Norden Thailands. Fischer, Reisbauern, sie verdienen gut bei den Deutschen und einmal im Monat, immer am letzten Freitag ist payday. Mit umgerechnet ca. 400,--DM fahren sie dann zu ihren Familien. Drei Tage, 700km hin, nochmalsoweit zurück in den Moloch Bangkok. Dort wo vor der grossen Asienwirtschaftskrise 1997 die zehnspurigen Straßen den Verkehr nicht mehr aufnehmen konnten und statt in ein öffentliches Personentransportsystem zu investieren einfach über die zehn Spuren noch einmal sechs bestellt wurden. Der Bang na Bang Pli Bang Expressway. Die längste Brücke der Welt. "Den politischen Willen dafür zu erzeugen" ist Aufgabe der Asiensektion von Bilfinger und Berger. Wie dieser Wille erzeugt wird, kommentiert der Seniorchef nur mit einem Lächeln. Nun ist der Verkehr wesentlich weniger geworden, die Zweitwagen stehen in der Garage, der Benzinpreis ist explodiert. Auf den bereits freigegebenen Teilen des Expressways fährt kaum jemand außer den Diensttoyotas. Die Benutzungsgebühr ist teuer, die Auf- und Abfahrten sind verwirrend und Thailänder sind Gewohnheitsmenschen. Im Stau, direkt unter den Bauarbeiten sitzen sie dicht gedrängt in oder auf ihren Pick ups, schlängeln sich mit unzähligen stinkenden Zweitaktmopeds durch die Autoschlangen, und lächeln hinter ihren Staubmasken gegen den atemberaubenden Smog an."Sie lächeln immer" sagt Werkstattleiter Restner aus Österreich. "Die lächeln auch wenn sie dir den Hals abschneiden. Die Neger," meint er und plaudert aus seiner Nigeriazeit "die Neger sind da besser. Wenn da einer wütend ist dann sieht man es und kann ihm aus dem Weg gehen. Die Thais werde ich wohl nie verstehen." Genauso wenig wie den Aufstand seiner Arbeiter als er einmal ein paar junge Hunde in einer Wassertonne ersäufte und die an Wiedergeburt glaubenden Thais ihm das Übel nahmen. Schlangen aber mag er. Er lacht wenn die Thais vor einer verirrten Kobra schreiend weglaufen und hält sich selber ein paar Phytons hinter seiner Werkstatt. Wenn sie vier Meter lang sind dann lass ich sie immer frei. Draußen im Yard, hört man die Betonmischer mahlen. Dort werden die Fertigteile betoniert. Immer Eins an das Nächste. Nur so passt es auf der Baustelle beim Verlegen zentimetergenau aneinander. 14 solcher Spams ergeben ein Brückensegment. Zwischen zwei senkrecht bis zu 40m in den sumpfigen Boden gerammten Pfeilern wird das Segment verlegt. Auf einem fahrbaren Gerüst aneinandergestapelt, mit Stahlseilen zusammengehalten. Die Seile werden durch genau berechnete Aussparungen gefädelt und mit hydraulischen Pressen zusammengespannt. 8000 Tonnen Zugkraft verleihen dem Segment Festigkeit. Sofort befahrbar und in 24 Stunden fertig. 80 Meter am Tag, 2,5km im Monat wird die Straße vorangebaut bis dann einer der Königsfamilie die 54km lange Brücke Anfang nächsten Jahres einweihen kann. Der Königssohn und der potenzielle Thronnachfolger würde die Einweihung möglicherweise mit seinem Porsche vollziehen. Er hat auch schon mal Teilstücke sperren lassen um endlich seinen Dreiliter Turbo ausfahren zu können. Der Bang Na Expressway beginnt mitten in Bangkok, führt nach Südosten, am geplanten Großflughafen vorbei und endet unvermittelt nach vierundfünfzig Kilometern. Dort entsteht gerade ein eingezäuntes Luxuswohnviertel. Mit 19 Loch Golfplatz und Jachthafen. Die Mächtigen, Schönen und Reichen sind nach einer halben Stunde Autofahrt im Paradies. Dort liegt auch die Jacht von Klaus Mertens. Jede freien Minute verbringt der deutsche Ingenieur auf seinem 12 Meter Motorboot. Bei Vollgas erholt er sich vom Stress der Baustelle. Mit der Kraft der zwei BMW Schiffsdiesel rauscht er lachend zu nah an den Hausbooten der Einheimischen vorbei, die lächelnd versuchen ihr Hab und Gut vor der Bugwelle retten.
 
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